Chess & History: Women in Chess

Schach & Geschichte: Frauen im Schach

Das Schachspiel blickt auf eine lange Geschichte zurück. In den letzten 1.500 Jahren beeinflusste es die Kultur und die Politik, forderte und förderte den Geist der Menschen und ist bis heute das bekannteste Brettspiel weltweit. Doch lange Zeit stand es vorbehaltlich nur dem männlichen Geschlecht zu, es zu spielen. Doch warum war das so? Liefert das Schachspiel mit seinen hierarchischen Strukturen und Regeln vielleicht selbst eine Antwort auf die Frage? Auch wenn Schach eine lange Vergangenheit aufweist, so sind doch viele kulturelle Entwicklungen des Schachspiels nicht historisch belegt und wurden nur spärlich dokumentiert. Erst mit der steigenden Popularität in Europa kamen auch erste Schriften auf, die das Schachspiel thematisierten. Und Frauen hatten ab dem Zeitpunkt schon einen sehr starken Einfluss auf das Spiel und seine damalige Interpretation.

Nachfolgend möchte ich gerne die Rolle der Frau im Schach näher betrachten und einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung der letzten Jahrhunderte werfen.

 

Die Rolle der Frauen in der Geschichte des Schachs

Zwischen dem 7. Und dem 12. Jahrhundert ist sehr wenig über die Einbindung von Frauen in das Schachspiel bekannt. Dies ist jedoch hauptsächlich auf die geringe Anzahl allgemein verfügbarer Schriften über Schach in jener Zeit zurückzuführen. Die früheste Nennung einer Frau in der Literatur bezieht sich auf die berühmte isländische Holzschnitzerin Margret, die Geschickte. Zur damaligen Zeit zählte sie zu den handwerklich begabtesten Frauen in Island und war so berühmt für ihre Schnitzereien, dass sie unter anderem vom damaligen Bischof persönlich mit der Fertigung eines kirchlichen Krummstab aus Walrosselfenbein beauftragt wurde. Doch sie fertigte im Laufe ihrer Karriere ein viel bedeutenderes Produkt an, das selbst heute einen historisch unschätzbaren Wert für die Schachgeschichte innehält: Die Lewis-Schachfiguren. Auch wenn die Herstellung der berühmten Schachfiguren sich nicht um das Spielen an sich dreht, so zeigen diese doch auf, dass Schach für Frauen durchaus zugänglich war.

Die nächsten historischen Nennungen einer Frau in Verbindung mit Schach folgten dann im 13. Jahrhundert und hatte diesmal sogar einen eindeutigen Bezug zu ihrer Spielstärke. Die sizilianische Baronin Macalda di Scaletta wurde nach einer Reihe politischer Intrigen und im Verdacht, an einer Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, im Schloss Mategriffon inhaftiert. Dort lernte sie den ebenfalls inhaftierten Emir der Insel Djerba kennen: Margam ibn Sebir. Dieser wurde von der sizilianischen Flotte gefangen genommen, als er nach einem Angriff der Aragonier auf Djerba versuchte, nach Tunesien zu fliehen. Um sich die Zeit zu vertreiben, spielten die beiden Schach und brachten so das Talent Macaldas zu Tage, eine talentierte Schachspielerin zu sein. Da Schach auf Sizilien erst im 16. Jahrhundert populär wurde, war Macalda mit hoher Wahrscheinlichkeit die erste Sizilianerin, die das Schachspiel gegen Ende des 13. Jahrhunderts durch den Emir Margam ibn Sebir erlernte.

Macalda di Scaletta von Gino De’ Bini aus dem Jahr 1889

Macalda di Scaletta von Gino De’ Bini aus dem Jahr 1889

Auch begründet durch viele Königinnen, die zwischen dem 12. Und 15. Jahrhundert an der Macht waren, nahmen Frauen einen verstärkten Einfluss auf das Schachspiel und insbesondere auch auf die Schachfigur der Dame. Die persische und arabische Bezeichnung der damals noch als „Minister“ bezeichneten Schachfigur entwickelte sich vom Begriff „farzin“ hin zu „firz“. In der europäischen Aussprache wurde „firz“ wie „fers“ ausgesprochen und ähnelte so dem französischen „vierge“, was so viel bedeutet wie „Jungfrau“. Aufgrund der Nähe zum König wurde die Schachfigur so zur Dame gedeutet und möglicherweise auch durch die Jungfrau Maria in ihrer Position gestärkt. Bekannte Namen von Machthaberinnen die ebenfalls die Deutung der Dame gestärkt haben können sind Eleonore von Aquitanien, Blanka von Kastilien und insbesondere Isabella I. von Kastilien.

Isabella I. von Kastilien (Ausschnitt aus dem Altarretabel der Kirche Colegiata de Santa María der Stadt Toro in Spanien)

Isabella I. von Kastilien
(Ausschnitt aus dem Altarretabel der Kirche Colegiata de Santa María der Stadt Toro in Spanien)

Das größte Ereignis für die Einflussnahme der Frauen war folglich auch die Regeländerung der Dame. Konnte sich diese zunächst nur diagonal ein Schachfeld weit bewegen, so ändert sich dies gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Von da an vereinte sie das Bewegungsmuster des Turms und des Läufers und konnte sich nun sowohl horizontal, vertikal als auch diagonal beliebig viele Schachfelder weit bewegen. Die Dame wurde somit zur stärksten Schachfigur und auch die Frau nahm ihren festen Platz in der Schachwelt ein.

 

Herausforderungen für Frauen in der Schachwelt

Der Erfolg von Frauen im kompetitiven Schach ist eine bemerkenswerte Reise, die vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Historisch gesehen hatten Frauen in der von Männern dominierten Welt des Schachs bedeutende Hürden zu überwinden, die auf Vorurteilen und der hierarchischen Stellung der Frau beruhten.

Vom 18. Bis spät ins 19. Jahrhundert hinein beschränkte sich die Beteiligung der Frauen am Schachspiel auf einige wenige Einzelpersonen, die jedoch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung standen und nur unter den Schachspielern selbst bekannt waren. Das änderte sich mit dem ersten Schachturnier für Frauen, das 1884 von der „Sussex Chess Association“ gesponsort wurde. 1897 folgte das erste internationale Schachturnier für Frauen, wenngleich die Anerkennung des weiblichen Schachtalents aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Normen ausblieb.

Das frühe 20. Jahrhundert brachte hingegen wichtige Fortschritte in der Wertschätzung der weiblichen Leistungen im Schach. Insbesondere die von der FIDE ausgetragene Frauenweltmeisterschaft im Jahr 1927 stellte einen großen Erfolg für die Gleichberechtigung dar und fand parallel zur Schacholympiade der Männer statt. Vera Menchik wurde damals erste Schachweltmeisterin und ihre Leistung fand hohe Beachtung. Die Akzeptanz der Frau im Schach wurde auch dadurch bestätigt, dass Menchik vom ungarischen Großmeister Géza Maróczy trainiert wurde, der im gleichen Jahr mit dem ungarischen Team ebenfalls Weltmeister wurde.

Im Jahr 1950 wurde Lyudmila Rudenko zur ersten weiblichen Internationalen Meisterin gekürt und die FIDE führte im selben Jahr den Titel "Woman International Master" ein, um die Anerkennung und Förderung weiblicher Schachspielerinnen zu unterstützen. Ein bedeutender Meilenstein ereignete sich im Jahr 1957 mit der ersten Frauen-Schacholympiade, die von der sowjetischen Mannschaft gewonnen wurde. Dieses Ereignis markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des Schachs und festigte die Präsenz von Frauen in diesem anspruchsvollen Sport.

Im Jahr 1976 nahm die Inderin Rohini Khadilkar an der indischen Meisterschaft der Männer teil und löste eine Kontroverse aus. In dem Wettbewerb besiegte sie drei nationale Meister und klagte erfolgreich vor dem Obersten Gerichtshof für ihre Teilnahme. Der damaligen FIDE-Präsidenten, Max Euwe, entschied darauf hin, dass Frauen nicht von nationalen und internationalen Turnieren ausgeschlossen werden dürfen. Im gleichen Jahr wurde von der FIDE auch der Großmeistertitel für Frauen eingeführt, der 1978 von Nona Gaprindashvili erstmalig errungen wurde. In dem Jahr folgte auch der FIDE-Master-Titel für Frauen, der ab einer ELO-Wertung von 2100 auf FIDE-Turnieren vergeben wird.

Obwohl die Leistungen der Frauen nun weltweit anerkannt waren konzentrierten sich viele Diskussionen dennoch auf einen direkten Vergleich der Leistungen von Männern und Frauen. Wohlwissend, dass Frauen Jahrhunderte lang unterdrückt und sehr lange aus einem aktiven Wettbewerb ausgeschlossen waren, wurde Männern eine deutliche Überlegenheit zugesprochen. Diese Ansicht änderte sich Anfang 90er Jahre, als Judit Polgár auf die Schachbühne trat und das Jahrzehnt als stärkste Schachspielerin und jüngste Großmeisterin dominierte.

Judit Polgár auf dem Hoogovens-Schachturnier im Jahr 1990 (Foto: Fotoburo de Boer)

Judit Polgár auf dem Hoogovens-Schachturnier im Jahr 1990
(Foto: Fotoburo de Boer)

Im Jahr 2002 besiegte sie den Weltmeister Garry Kasparov und festigte so ihre Stellung als bis heute beste Schachspielerin der Schachgeschichte. Mit einer ELO-Wertung von 2735 im Jahr 2005 belegte sie damals Platz 8 der weltbesten Schachspieler unabhängig vom Geschlecht. Ihre Spielqualität ist bis heute von keiner Schachspielerin überboten worden. Die derzeit beste Schachspielerin ist Hou Yifan und mit einem ELO-Wert von 2686 (Höchstwert 2015) immer noch knapp 50 Punkte unter Polgár. Den zweiten Platz belegt Ju Wenjun mit 2604 ELO-Punkten im Jahr 2017. Warum es bisher nur Polgár in den hohen Wertungsbereich der Männer geschafft hat, ist nicht belegt. Jedoch wurden Frauen wie eingangs beschrieben, Jahrhunderte vom kompetitiven Spiel ausgeschlossen und werden auch heute noch in vielen Ländern unterdrückt. Der Anteil der Frauen im Schach beläuft sich daher gerade einmal auf knapp 15 %.

 

Die Zukunft der Frau im Schach

Die gestiegene Popularität des Schachs durch die Netflix-Serie „Queen‘s Gambit“ oder auch die Quarantäne während der Corona-Pandemie bescherten Schach einen regen Zulauf. Diese gestiegene Nachfrage rückte auch die Aufmerksamkeit für weibliche Schach-Streamer in den Vordergrund. Hohe Berühmtheit in der Streaming-Szene erlangten die Botez-Schwestern, Anna Cramling, Anna Rudolf oder auch Qiyu Zhou. Zwar nimmt die mediale Aufmerksamkeit nicht sofort einen Einfluss auf die aktive Zahl der weiblichen Schachspieler. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass mehr Frauen als je zuvor zum Schachspielen inspiriert wurden. Zudem hatte die FIDE das Jahr 2022 zum „Schachjahr der Frauen“ ausgerufen, um die Leistungen der Frauen im Schach zu würdigen und die Beteiligung der Frauen im Schach stärker zu fördern. Der Zulauf im Jugendschach hat nach Abklingen der Corona-Pandemie auf alle Fälle leicht zugenommen und es ist davon auszugehen, dass sich auch der Anteil der Mädchen zumindest leicht steigern konnte.

 

Fazit

Schach stellte schon seit jeher ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse dar. Der Fortschritt in der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zeigte sich somit auch im Schach und hob nicht nur die Dame als Schachfigur, sondern auch die gesellschaftliche Stellung und die Spielqualität der Frauen hervor. Dies wurde bereits eindrucksvoll von berühmten Schachspielerinnen wie Judit Polgár bestätigt. Doch auch die große Leidenschaft für Schach abseits des Wettbewerbs hat seinen Ausdruck in der modernen Unterhaltung gefunden und schuf eine große Streaming-Szene um das berühmte Spiel der Könige, die stark durch weibliche Streamer geprägt ist. Ob diese Entwicklung den Frauenanteil im Schach steigern wird, bleibt abzuwarten, wünschenswert wäre es auf jeden Fall.

 

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und dein Interesse am Thema. Solltest du noch weitere Fragen haben, so schreibe mir gerne über mein Kontaktformular. Neben dem Computer ist das Schachspielen auf einem richtigen Schachbrett noch immer stets populär. Solltest du Interesse an Schachfiguren oder Schachbrettern in Turnierformat haben, so schau gerne einmal in meinem Sortiment vorbei.

Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.

 

Bis bald.

Stefan

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